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Fast ein Fünftel nicht wahlberechtigt (31.7.2024)

 

Wenn einmal rund ein Fünftel der theoretisch im wahlberechtigten Alter befindlichen Menschen nicht wahlberechtigt ist, dann ist das nicht gut. Ganz abgesehen von Problemen, die umgekehrt auch Auslandsösterreicher haben, um an der demokratischen Mitbestimmung teilhaben zu können. All das polarisiert unnötig, macht Frust - und gehört dringend geändert! (Zusammenfassung in einfacher Sprache)

 

https://orf.at/stories/3365054/

Zitat: Wenn am 29. September der Nationalrat neu gewählt wird, kann sich fast jede fünfte in Österreich lebende Person im Wahlalter nicht aktiv daran beteiligen. Die seit Jahren steigende Zahl der Nichtwahlberechtigten erreicht damit einen neuen Höchststand. Rund 6,3 Millionen Wahlberechtigten stehen fast 1,5 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen im Wahlalter gegenüber, die mangels österreichischer Staatsbürgerschaft nicht wählen können. Das entspricht einem Anteil von 19 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren. ... In den letzten 22 Jahren wuchs die Zahl der nicht wahlberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner kontinuierlich und deutlich schneller als die Zahl der wahlberechtigten, die zuletzt sogar zurückging.

 

Eine Demokratie lebt von der breiten Beteiligung aller Menschen, die den Gesetzen unterworfen sind. Wenn jedoch ein erheblicher Teil der Bevölkerung aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft vom Wahlrecht ausgeschlossen ist, bleibt ein bedeutender Teil der Interessen dieser Menschen unberücksichtigt. Dies führt zu einem Demokratiedefizit, das sich durch die zunehmende Mobilität und Zuwanderung sowie ein restriktives Einbürgerungsrecht in den letzten Jahren weiter verschärft hat.

In Österreich ist das Wahlrecht eng an die Staatsbürgerschaft geknüpft. Dies bedeutet, dass die Bevölkerung ohne österreichische Staatsbürgerschaft weder auf Bezirks-, Gemeinde-, Landes- noch Bundesebene wählen darf. Okay, nicht-österreichische EU-Bürger, die ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, sind berechtigt, an Gemeinderatswahlen (bzw. in Wien an Bezirksvertretungswahlen) und Europawahlen teilzunehmen. Für die Gemeinderatswahlen werden sie automatisch in die lokale Wählerevidenz eingetragen. Für die Teilnahme an Europawahlen ist jedoch ein Antrag auf Eintragung in die Europa-Wählerevidenz erforderlich (ein Wahlrechts-Unterschied, den man uns übrigens bezüglich Sinnhaftigkeit auch erst einmal genauer erklären müsste).

Und dies alles lediglich abhängig von der Zuerkennung der Staatsbürgerschaft!

Spannend ist ja, wie unkompliziert Einbürgerungen manchmal bei Spitzensportlern, Künstlern oder anderen VIP's ablaufen! Aber sind Maurer, Taxifahrer, Installateursgehilfen, Putzfrauen oder Krankenpflegerinnen wirklich so viel weniger "wert", als Olympia-Judoka oder Opernsängerinnen?

Ein weiteres Hindernis für die politische Teilhabe ist, dass der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft mit hohen Kosten verbunden ist – etwa 3.000 Euro pro Person. Dies stellt für viele Menschen eine große finanzielle Hürde dar. Besonders kritisch ist dies, da viele Migranten seit Jahrzehnten in die österreichische Steuerkasse einzahlen und deshalb auch nicht als Bürger zweiter Klasse behandelt werden sollten.

Eine weitere herausfordernde Problematik, die aber umgekehrt im Ausland lebende Österreicher betrifft, ist die Teilnahme an einer österreichischen Wahl, insbesondere bei Unterstützungserklärungen. Viele Auslandsösterreicher stehen da vor ganz ähnlichen Herausforderungen in ihren Aufenthaltsländern in Bezug auf Mitbestimmung. Die jüngste Regelung, die vorsieht, dass man persönlich und zeitgerecht am Magistrat einer bestimmten österreichischen Gemeinde erscheinen muss, um eine Unterstützungserklärung für eine Partei abzugeben, erschwert ihnen erheblich die Teilnahme an diesem zentralen Wahlbestandteil. Dies führt de facto zu einer Benachteiligung und teilweise sogar dem Ausschluss von Auslandsösterreichern aus dem demokratischen Prozess in Österreich.

Aus integrationspolitischer Sicht ist dieses Demokratiedefizit jedenfalls problematisch. Menschen, die keine Mitbestimmungsrechte haben, entwickeln möglicherweise weniger Interesse an politischen Themen und der Gesellschaft, in der sie leben. Diese Exklusion schwächt das soziale Gefüge und die demokratische Teilhabe.

Es ist daher dringend notwendig, diese Regelungen zu überdenken, um sicherzustellen, dass alle österreichischen Staatsbürger, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort, gleichberechtigten Zugang zu demokratischen Rechten haben. Zur Stärkung der Demokratie und Integration sollte eine Reform des Wahlrechts erwogen werden, die auch Nicht-Staatsbürgerinnen nach einer gewissen Aufenthaltsdauer in Österreich eine politische Stimme gibt, aber auch die politische Teilhabe von Auslandsösterreichern an Entscheidungen für Österreich praktikabel und zumutbar sicherstellt.

Eine mögliche Lösung könnte die Einführung digitaler oder postalischer Alternativen zur Abgabe von Unterstützungserklärungen sein, um sicherzustellen, dass im Ausland lebende Österreicher nicht vom Wahlprozess ausgeschlossen werden. Ein solches Vorgehen würde die demokratische Partizipation fördern und sicherstellen, dass die Stimme jedes Bürgers gehört wird.

Das Wahlrecht für Nicht-Österreicher könnte an den Hauptwohnsitz und eine bestimmte Aufenthaltsdauer geknüpft werden (Artikel 115 unseres Verfassungsvorschlags), unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Ein Beispiel dafür ist der Versuch des Landes Wien im Jahr 2003, ein Wahlrecht für Drittstaatsangehörige auf Bezirksebene einzuführen, das jedoch 2004 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde.

Ein schon seit Jahren bestehender Vorschlag im Verfassungsentwurf der Demokratischen Alternative jedenfalls besagt (Artikel 100), dass grundsätzlich jeder Wahlberechtigte ZWEI Stimmrechte hat (analog Deutschland) - eines auf die Hauptwohnsitzgemeinde bezogen und ein zweites nach freier Wahl (Zweitwohnsitz, Firmensitz, Arbeitsplatz etc. - oder auch auf den Hauptwohnsitz gelegt). Wahlberechtigte Bewohner Österreichs ohne Staatsbürgerschaft haben EIN Stimmrecht (weil davon auszugehen ist, dass sie auch im Land ihrer aktiven Staatsbürgerschaft noch lokal ein Wahlrecht besitzen). Auslandsösterreicher haben auch EIN Stimmrecht - aber dann ZWEI, wenn im Aufenthaltsland für die entsprechende lokale Entscheidungsform kein Mitbestimmungsrecht besteht (was derzeit zumindest noch für die meisten Abstimmungen leider der Fall sein wird).

Diese Maßnahmen würden nicht nur die demokratische Legitimation stärken, sondern auch das politische und soziale Engagement aller Bewohnerinnen fördern, was langfristig zu einer inklusiveren und stabileren Gesellschaft führen könnte.