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Barrierefreiheit bei Wahlen – Behauptungen vs. Wirklichkeit (1.10.2024)

 

Der Behindertensprecher und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DA hat in einem Mail vom 1.10.2024 die Theorie und politische Behauptung der Barrierefreiheit bei Wahllokalen mit der leider völlig unbefriedigenden Praxis verglichen. Er fordert einen Beauftragten für Barrierefreiheit pro Wahllokal, damit auch tatsächlich bei einer Wahl eine bestmöglich umsetzbare Barrierefreiheit vor Ort gewährleistet werden kann. (Zusammenfassung in einfacher Sprache)

 

Von: DA NÖ G. Hämmerle

Gesendet: Dienstag, 1. Oktober 2024 20:46
An: Agnes Prammer (GRÜNE)
Cc: Behindertenanwalt; diverse Behindertenorganisationen; ORF; APA Redaktion NÖ; Krone Redaktion NÖ; Kurier NÖ-Mitte; NÖN; Amt der Niederösterreichischen Landesregierung
Betreff: Barrierefreiheit NR Wahl - Praxisbericht

 

Guten Tag!

Ich schreibe Ihnen diese Zeilen als Ergänzung und Bericht aus der Praxis zu Ihrer Mailatnwort vom 07.05.2024 (siehe PDF anbei), in der Sie eine Verbesserung der Barrierefreiheit in der Reform des Wahlrechts bei Bundeswahlen anführen.

Wie schon fast zu erwarten war - zwischen guten Worten und der Praxis klafft ein breiter Graben!

Mein Wahllokal ist eine Schule in St. Pölten, hier wurden die Zimmer der Sprenkel schon bei der letzten EU-Wahl gewechselt. Dies hat zur Folge, dass sich meine Sprenkelräumlichkeit nun mit dessen Fenstern direkt neben dem Haupteingang und Parkmöglichkeiten befindet. Wohl aus diesem Grund, war genau im Eck der Wahlkabinen die Jalousie völlig geschlossen - sprich dieses Eck total vom Tageslicht abgedunkelt. Es war natürlich das Licht eingeschalten, aber wer Schulen älteren Baujahrs kennt, sowie die Problematik bei starken Sehbehinderungen und Lichtverhältnissen weiß, dass dies eine sehr schlechte Variante für eine kontrastierte gute Barrierefreiheit darstellt!

Es ist grundsätzlich anzumerken, dass solche Gebäude natürlich schwer für die unterschiedlichen Bedürfnisse an Barrierefreiheit der unterschiedlichen Behinderungsformen anzupassen sind (zumindest für nur einen Tag). So muss man aber verkürzt festhalten, dass in so einem Fall mit betreten des Gebäudes bis direkt in die Wahlkabine eine Begleitperson unumgänglich war und ist - und das hat natürlich mit dem Grundgedanken der Barrierefreiheit - selbstständiges und selbstbestimmtes Handeln zu ermöglichen - nichts zu tun! Angemerkt sei noch, dass laut Beobachtung meiner Frau (welche nicht sehbehindert ist), auch zwischen den zwei im Raum befindlichen Wahlkabinen wohl zu wenig Platz für einen Rohrstuhl gewesen wäre.

Man könnte noch einige weitere Details anmerken, aber das Fazit ist so oder so, dass eventuell ein guter Wille bei der Schaffung von Richtlinien und Normen vorhanden ist, allerdings die praktische Umsetzung leider nicht mitgedacht wird, bzw. die Gewährleistung dieser Umsetzung.

Daher wandle ich unseren Vorschlag eines Beauftragten für Barrierefreiheit pro Wahllokal, in eine Forderung um, damit auch tatsächlich bei einem der wichtigsten Vorgänge unserer Demokratie - der Wahl - eine erhöhte und bestmöglich umsetzbare Barrierefreiheit vor Ort gewährleistet werden kann! Dieser Beauftragte soll für diesen Themenbereich von Interessensvertretungen der Menschen mit Behinderung für die Praxis geschult werden, und sowohl beim Aufbau der Wahlkabinen, als auch am Wahltag selbst anwesend sein, um auch Menschen mit Behinderung eine ortskundige helfende Unterstützung leisten zu können - sofern diese Menschen dies in Anspruch nehmen möchten!

Natürlich ist dies erst ein Grundkonzept, dass mit Experten und Betroffenen noch verfeinert werden kann und soll.

Ich muss abschließend auch aus der praktischen Erfahrung vom Wahlsonntag sagen - es war keine Verbesserung zu bemerken in meinem Wahllokal!

Ernüchternd, aber leider nicht überraschend.

 

mfg

Gerhard Hämmerle

(Behindertensprecher und stv. Vorstandsvorsitzender der DA)