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Wirtschaftsflüchtlinge: Ein uns völlig fremdes Phänomen??? (20.10.2018)

 

"In den Herkunftsgebieten sorgten die Lasten der Grundablösung und Agrarkrisen sowie struktureller Wandel in der Landwirtschaft für eine wahre Landflucht."
 
In der heutigen Zeit könnte dieser Satz aus einem Buch stammen, der die Gründe der sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge beschreibt. Einer der die Umstände erläutert, warum Menschen aus anderen Ländern zu uns nach Europa strömen. Dies tut er aber nicht! Er stammt von der Seite https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Migration, welche die Migration Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts nach Wien beschreibt.
 
Warum dies näher betrachten?
 
Weil wir aus Geschichte lernen können! Weil wir aktuelle Entwicklungen, die uns heute fremd erscheinen gar nicht so fremd und fern sind, wie wir glauben.
 
Wenn wir heute vielfach mit dem Thema der Wirtschaftsflüchtlinge konfrontiert sind, verstehen wir nicht warum dies geschieht bzw. sehen manche von uns die Gründe dafür als unverständlich an. Oftmals wird auch hervorgehoben, dass besonders viele junge Männer diesen langen Weg bis zu uns wagen. Dabei haben solche Entwicklungen und Prozesse in unserer Geschichte bereits öfter stattgefunden.
 
In vielen Gebieten der alten österreichischen Monarchie fand insbesondere im 19. Jahrhundert eine Landflucht statt. Oftmals waren dies junge Männer, die als nicht erstgeborener Sohn eines Bauern keinerlei wirtschaftliche Grundlagen in ländlichen Gebieten vorfanden oder aufgrund von wirtschaftlichen Problemen in eher abgeschiedenen ländlichen Gebieten in die Städte abwanderten, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen bzw. ihrer in der Heimat verbliebenen Familie zusätzliche Unterstützung zukommen zu lassen. Oft blieben auf den Höfen auch damals dann eher die Frauen, Kinder und älteren Familienmitglieder zurück.
 
Natürlich gab es auch genug Menschen ohne jegliches Hab und Gut, die in ihrer Heimat keine Zukunft sahen und daher versuchten, sich in Gebieten mit industrieller Entwicklung ein neues Leben aufzubauen.
 
Die Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen haben sich im Grund genommen kaum geändert. Sie sind, wenn wir unsere eigene Geschichte betrachten, gar nicht so fremd oder fern. Auch unsere Vorfahren kannten diese Situation vielfach aus eigener Erfahrung nur zu gut!
 
Ja sogar heute stellen wir eine Landflucht bei uns in Österreich fest, und Menschen verlassen aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten ländliche (vor allem entlegenere) Gebiete.
Ja mehr noch! Die Arbeitsmarktpolitik geht immer mehr dazu über, von Arbeitslosen zu verlangen, "der Arbeit nachzureisen". Wir VERLANGEN innerhalb Österreichs sogar aufgrund der immer weiter gelockerten Zumutbarkeitsbestimmungen diese "Wirtschaftsflucht" quasi. Nur eben im Binnenraum.
 
Gelten für Menschen anderer Länder andere Grundsätze? Nur weil sie halt "die anderen" sind? Ist jemand, der in seiner Heimat verhungern oder verdursten müsste oder dessen Lebensraum zum Beispiel durch den Meeresanstieg überflutet wird ein "Wirtschaftsflüchtling"?
 
Wir sollten also mit diesem Wissen, mit dieser Kenntnis über unsere eigene Geschichte genauer nachdenken, wenn wir uns heute mit dem Thema der Wirtschaftsflüchtlinge auseinandersetzen. Und aus diesen Erfahrungen auch richtige Schlüsse ziehen, wie wir helfen können, dieser Entwicklung entgegenzuwirken!
 
Denn eines sollte uns klar sein: Kaum ein Mensch verlässt gerne seine Heimat! Wenn er in dieser ausreichend gute Lebens- und auch Arbeitsbedingungen vorfindet, dann wird er diese vor der Fremde bevorzugen.
 
Und genau dafür sollten wir uns einsetzen!
 
Aber was tun wir heute - gerade jetzt - um den "Wirtschaftsflüchtlingen" entgegenzuwirken? Genau das Gegenteil!
 
 
Zitat: Österreich ist laut einem Bericht im Vorjahr bei der Entwicklungshilfe von 0,42 Prozent auf 0,30 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) abgestürzt. Das geht aus dem AidWatch-Bericht 2018 des europäischen NGO-Dachverbands Concord hervor, der heute veröffentlicht wurde. Österreichs Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit lagen laut Bericht 2017 bei rund 1,05 Milliarden Euro.