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Unwissenheit, eine gute Qualifikation? (5.9.2018)

Er ist zurück in der Landespolitik, Udo Landbauer, den meisten durch die sogenannte "Liederbuch-Affäre" bekannt.

Er übernimmt in der niederösterreichischen FPÖ wieder eine leitende Funktion, außerdem wird er ein Mandat im niederösterreichischen Landtag übernehmen, das für ihn extra frei gemacht wurde.

Schauen wir uns kurz einige Aspekte dieses Themas näher an:

Zuerst betrachten wir das Liederbuch und seine geschwärzten Zeilen eines Liedes. Was bedeutet es, wenn Zeilen geschwärzt werden? Es signalisiert allen, die das Liederbuch kennen, die dieses Lied ganz kennen: Die Zeilen sind ja noch da, aber sie dürfen nach Außen hin nicht mehr sichtbar sein! Eine deutliche Distanzierung von solchem Lied- bzw. Gedankengut und ein unmissverständliches Zeichen, wäre die Entfernung des gesamten Liedes. Oder aber, natürlich teurer, eine Neuauflage des Liederbuches ohne diese Zeilen.

Es ist ja wohl anzunehmen, dass dieses Liederbuch nicht nur aus diesem einen Lied besteht, oder dieses eine Lied der wichtigste Bestandteil ist. Hoffen wir einmal!

Oder ist das Lied doch ein so unverzichtbarer Bestandteil, dass es bleiben muss – und man sich die geschwärzten Zeilen halt auswendig merken muss?

Nun kommen wir zur Argumentation von Udo Landbauer, er kannte dieses Liederbuch nicht, hat davon nichts gesehen und nichts gewusst, es wurde vor seiner Zeit verfasst!

Glauben wir einfach mal diesen Argumenten, dann muss man sich ansehen: Wie wird man Mitglied in so einer Burschenschaft? Entscheidet man sich ohne jegliche Vorkenntnisse oder ohne jegliches Bewusstsein für die Werte, Inhalte und Grundgesinnung, einer solchen beizutreten? Wenn man der Argumentation glauben möchte, war das wohl der Fall!

Aber Udo Landbauer war ja nicht nur einfaches Mitglied in der Burschenschaft. Er war mehrere Jahre stellvertretender Obmann der Burschenschaft Germania, also Inhaber einer leitenden Funktion!

Wenn wir wieder seiner Argumentation Glauben schenken wollen, dürfte er in diese leitende Funktion gekommen sein, ohne das Liederbuch der eigenen Burschenschaft zu kennen, anscheinend ohne vermutet oder wahrgenommen zu haben, welches Gedankengut, welche Gesinnungen und Überzeugungen in dieser vorkommen. Dies in einer Funktion, die wohl eine tiefgreifende Kommunikation mit Mitgliedern voraussetzt, zahlreiche Gespräche, Anwesenheit bei diversen internen Veranstaltungen und interner Gespräche der leitenden Personen!

Der Schluss aus dem Glauben an seine Argumentation wäre, wenig Kommunikation mit Mitgliedern, wenig Wahrnehmungsvermögen für Gesinnungen, Einstellungen von Menschen, wenig Vermögen als Teil der Leitung, interne Vorkommnisse zu überblicken, in seinen Worten "Unwissenheit"!

Man muss sich dann die Frage stellen, ist "Unwissenheit" eine Qualifikation, die wir als Bevölkerung bei Politikern in einem öffentlichen Amt haben wollen?

Ich sage für mich: Nein!

Ganz abgesehen davon, dass weder eine Verjährung noch ein Mangel an Beweisen für den Zeitpunkt der Textschwärzung eine völlige Rehabilitation darstellen. Zumindest keine moralische.

Eine persönliche Anmerkung möchte ich noch hinzufügen: Fehler und Irrtümer zu begehen, ist zutiefst menschlich. Allerdings macht die Reaktion den Unterschied aus. Für mich wäre es äußerst peinlich und beschämend, wenn mir solche Vorkommnisse jahrelang entgangen wären!

G.H.