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Südtiroler stimmen über direkte Demokratie ab (29.5.2022)

 

https://orf.at/stories/3268397/

Zitat: In Südtirol sind die Wahlberechtigten seit 7.00 Uhr aufgerufen, an einer Volksabstimmung über ein Gesetz zur direkten Demokratie teilzunehmen. Dieses war im Jahr 2018 beschlossen, 2021 aber wieder geändert worden – unter anderem durch die regierende Südtiroler Volkspartei (SVP). ... Die einfache Mehrheit entscheidet, das Ergebnis ist bindend.

 

Es ist ja schon einmal gut, dass irgendwo ein Wählervolk über so eine Regelung abstimmen kann. Natürlich nicht hier in Österreich - wo käme man denn da hin? Bei DER eh so bewundernswerten Schönheit und Eleganz unserer Verfassung?!

Aber: Was war in Südtirol nach dem Beschluss 2018 - gemäß dem ein vom Landtag nicht mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedetes Gesetz nicht in Kraft treten kann, wenn 300 Wahlberechtigte darüber eine Abstimmung beantragen und die Promotoren innerhalb von sechs Monaten mindestens 13.000 Unterschriften für die Abhaltung der Volksabstimmung sammeln?

Richtig, im Jahr 2021 wurde dieses „beteiligende Referendum“ wieder abgeschafft!

Wie das so ist, in einer repräsentativen Berufspolitiker-/Parteiendemokratie, in der Politiker nicht das Volk, sondern die Wähler Politikerinteressen zu vertreten haben. Und bei dem ein verbindlich zu nehmendes Hineingrätschen durch lästige Wähler in die Entscheidungen "der repräsentativen Demokratie" (sprich der Berufspolitiker samt Lobbys dahinter) höchst unwillkommen ist.

Was verlautet aus der regierenden Sammelpartei SVP in Südtirol? Zitat: Sie bekenne sich zu einer direkten Demokratie, die die Entscheidungen des Landtages ergänzt, aber nicht ersetzt. Und zu einer direkten Demokratie, die Entscheidungen des Landestages „zwar korrigiert, aber nicht blockiert“, hieß es in einer Aussendung der sieben Organisationen und Sozialpartnergremien der SVP.

Mhm ...

Mal sehen, was heute dabei herauskommt - aber vor allem: Was nachher dann politisch damit geschieht! *)

So wie das auch in Österreich immer wieder spannend verläuft ...

 

Wie sieht das denn in unserem Verfassungsvorschlag aus?

Hier ist eine Mischung aus direkter und repräsentativer Demokratie vorgesehen, wo aber im Fall der Fälle - wenn es also hart auf hart geht - nicht die repräsentative, sondern die direkte Demokratie das Sagen hat - also tatsächlich "das Recht vom VOLK ausgeht", wie es in Artikel 1 unserer Bundesverfassung schon heute so schön steht, aber in keiner Weise gelebt wird.

Zum Beispiel ist auch die sogenannte Annullierung - also ein direktes und unmittelbares Veto gegen Gesetze und Verordnungen durch die Mehrheit der jeweils zuständigen Wahlberechtigten in Artikel 130 des Verfassungsvorschlags vorgesehen. Ziemlich ähnlich zur südtiroler Regelung.

Und auch die TOP-Spielregel für die Politik, die Bundesverfassung selbst wird dann nur mehr von den WÄHLERN geändert, aber nicht von etwas mehr als 100 Berufspolitikern.

Und insbesondere: Wir sehen für den repräsentativen Teil der Demokratie das imperative Mandat vor - also das bestmögliche Bemühen um die Umsetzung der getätigten Wahlversprechen. Ganz im Gegensatz zum heutigen Usus, bei dem gegebene Wahlversprechen in einem Koalitionsabkommen samt leider auch Umsetzung danach nicht einmal mehr das Schwarze unter dem Fingernagel wert sind!

"Versprich den Wählern nichts, was Du dann nachher nicht auch nach bestem Wissen und Gewissen zu halten bereit bist! Denn wofür sonst wirst Du gewählt?"

 

*) Wichtiger Nachtrag (30.5.2022):

https://www.tageszeitung.it/2022/05/29/suedtirol-hat-gewaehlt/

Zitat: Beim Referendum am Sonntag haben 76,9 Prozent bzw. 70.000 Südtiroler gegen das von SVP und Lega verabschiedete Gesetz zur Direkten Demokratie gestimmt. 23,1 Prozent bzw. 21.000 Personen haben mit Nein gestimmt.

Wobei bitte nicht verwirren lassen: Das war ein Gesetz, um die direkte Demokratie wieder zu BESCHNEIDEN!

Zitat: Fast 80 Prozent der Süd-Tiroler wollen nicht, dass die Direkte Demokratie beschnitten wird. In keiner einzigen Gemeinde des Landes siegte das Ja! Ein überdeutliches Votum, vor allem auch für das bestätigende Referendum, Herzstück der Direkten Demokratie.

 

Und was hat der Verfassungsgerichtshof in Österreich gemacht? Er hat in seiner präjudiziellen Rechtsprechung klar und eindeutig die repräsentative Demokratie über die direkte gestellt. "Das Recht geht vom Volk aus"? Lächerlich! Schließlich ist der (ja in Wahrheit politisch besetzte) Verfassungsgerichtshof maßgeblicher Teil eines uns beherrschenden Systems - das dafür sorgt, dass möglichst genau das Gegenteil der Fall ist!