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Der Lissabon-Vertrag ist „durch“ … (4.11.2009)

... und Europa atmet auf.

Ganz Europa?

Na ja, eigentlich vor allem Europas Politiker - und jene, die sich nun um die hochbezahlten EU-Spitzenjobs prügeln dürfen.

Was soll man von einer kontinentalen Polit-Spitze halten, die - ganz offen und ungeniert - zu den Qualifikationen für diese Spitzenjobs verlauten lässt: "Der eine muss ein Konservativer, der andere ein Sozialist sein"?

Was soll man von einer Europäischen Union halten, die nach wie vor zuerst Personen für Kommissionsposten nominieren und dann erst nachher über den Kommissionspräsidenten eine Ressortzuordnung für diese Leute zimmern lässt? Selten ist das Wort "Qualifikation" offener mit Füßen getreten worden.

Was soll man von einem Lissabon-Vertrag als papiergewordene Zukunft der Europäischen Union halten, in dem das Wort "Korruption" bzw. deren Bekämpfung nur einmal in der Aufzählung zu einer Kann-Vorschrift vorkommt?

"(1) Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Richtlinien Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität festlegen, die aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, eine grenzüberschreitende Dimension haben.

Derartige Kriminalitätsbereiche sind: Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität."

Suchen Sie nach Begriffen wie "Amtsmissbrauch" oder "Verschwendung": Sie werden nichts finden!

Ein Zufall, dass sich die Spitze Europäischer Politik genau dieser schon längst nachweisbaren Achillesferse nicht stellt? Wohl kaum!

Man muss vielmehr mit Schaudern zur Kenntnis nehmen, dass zum Beispiel das „Protokoll (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union“ in den „konsolidierten Fassungen" (veröffentlichte Version vom 9. Mai 2008) mit 6 1/2 Seiten mehr Umfang hat, als sämtliche enthaltenen Textteile für Umwelt (2 Seiten), Gesundheit (1 1/2 Seiten), Beschäftigung (2 Seiten) und Katastrophenschutz (1/2 Seite) zusammengenommen!

Zwar ist Quantität selten ein Äquivalent für Qualität, aber ist es ein Maßstab für Prioritäten?
Na selbstverständlich!

Je zentralistischer Macht ausgeübt wird, um so mehr Kontrolle braucht sie, desto transparenter müssen politische Entscheidungsprozesse gestaltet sein, um so direkter muss ein bindender(!) Einfluss durch die Basis gegeben sein. In keinem dieser Punkte erhält die nun neu gestaltete Europäische Union mehr, als ein blankes "Nicht genügend"!

Meine Erwartungen in die EU- und Landeszukunft sind daher extrem düster: Die Europäische Union wird auf diese Weise noch mehr zum Ausführungsgehilfen der Lobbys verkommen - und national wird die so gestaltete EU, gegen die man sich ja jetzt noch weniger durchsetzen kann, lediglich als bloße Ausrede dienen.

Europa den Europäern - hach, wäre das schön! Leider haben wir es mit Haut und Haaren einer entfesselten und gierigen Politik zum Wohle der Politiker in den Rachen geworfen.

Schon aufgrund des Umstandes, dass man jetzt für lange Zeit an dieser Fast-400-Seiten-Errungenschaft festhalten wird - koste es (uns), was es wolle - hat Europa eine Jahrhundertchance verpasst.

Sorry, no better news!

G.K, 4.11.2009