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Das einfache Leben (3.7.2011)

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„Ein Ausstieg kommt nicht in Frage“

Während die Lage in Japans Unglücksreaktoren eskaliert, stemmt sich Frankreichs Regierung vehement gegen die auch in Europas AKW-Land Nummer eins zunehmend an Fahrt gewinnende Atomkraftdebatte. Für Präsident Nicolas Sarkozy kommt ein Umdenken in Frankreichs Atompolitik jedenfalls nach wie vor „nicht infrage“.

So wie Regierungs- und Parteimitglieder bereits zuvor verwies auch Sarkozy laut der Zeitung „Le Figaro“ (Dienstag-Ausgabe) auf die aus seiner Sicht beispiellosen Sicherheitsstandards der französischen AKWs. Dank einer doppelten Schutzhülle seien diese laut Sarkozy „zehnmal sicherer als andere“.

UMP-Parteichef Jean-Francois Cope sprach zuvor gar von den besten Sicherheitsstandards der Welt. Zudem sei keine Energieversorgung ohne Risiko, so Cope, der ähnlich wie Energieminister Eric Besson gleichzeitig scharfe Kritik an den Ausstiegsforderungen der Grünen und Umweltschutzgruppen übte und diese als „unverantwortliche Stimmungsmache“ bezeichnete.

„Die japanischen Ereignisse“
So tragisch die Ereignisse in Japan auch seien, laut Cope könne eine strategische Entscheidung, wie es der Ausstieg von der Atomenergie für Frankreich wäre, nicht durch einen aktuellen Vorfall bestimmt werden. Laut Premier Francois Fillon wird aber auch Frankreich „nützliche Lehren“ aus den als „die japanische Ereignisse“ bezeichneten Vorgängen im AKW Fukushima I ziehen.

Geht es nach Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet, habe Frankreich ohnehin stets auf „größtmögliche Sicherheit“ gesetzt, weswegen die landeseigenen Atomkraftwerke auch gegen Erdbeben bzw. eine Überschwemmung gewappnet seien. Ungeachtet dessen, dass Ähnliches bis vor kurzem auch von japanischen Behörden verlautete, bezeichnete Kosciusko-Morizet Kernenergie nicht nur als sichere, sondern auch als „gute Energie“.

Zunehmend Sorge um Atomexporte
Dennoch mehren sich hinter den Kulissen offenbar auch in Paris die Sorgen vor den möglichen Folgen der Ereignisse in Japan. Diese könnten sich zu einem „Drama für Frankreich und seine Nuklearindustrie“ entwickeln, wird etwa ein Sarkozy-Berater zitiert. Grund dafür sei nicht nur, dass Frankreich derzeit rund 80 Prozent seines Strombedarfs aus Kernkraft bezieht.

Frankreich setzt auch in hohem Maße auf den Export von Atomstrom. Zudem soll den bisherigen Plänen zufolge mit Hilfe der Kernergiegiganten EDF, GDF Suez und Areva Frankreichs weltweit führende Position in Sachen Kernkraft weiter ausgebaut werden.

Volksabstimmung für Atomausstieg gefordert
Im Gegensatz dazu orten Frankreichs Umweltschützer nun ausreichend Argumente für eine umfangreiche Ausstiegsdebatte. Zu den prominentesten Unterstützern zählt der grüne Europaparlamentarier Daniel Cohn-Bendit, der nun per Volksabstimmung die Weichen für einen Abschied von der Atomenergie stellen will. Auch der Umweltschützer und TV-Journalist Nicolas Hulot sieht die Zeit für eine „nationale Debatte“ auch in Frankreich gekommen.

Auch die mögliche Präsidentschaftskandidatin der Grünen, Eva Jolie (Europe Ecologie - Les Verts, EELV) forderte gegenüber dem Nachrichtensender i-Tele bereits offen den Ausstieg aus der Kernkraft. Laut Jolie kann nach Japan der „Mythos“ der risikofreien Atomenergie nicht mehr aufrechterhalten bleiben und sei nun endgültig „zerstört“.

„Panikmache“
Die Atombranche kann Forderungen wie diesen naturgemäß wenig abgewinnen. Von Panikmache spricht mit Anne Lauvergeon etwa die Chefin von Europas größtem Atomenergiekonzern Areva. Wie Lauvergeon gegenüber der Zeitung „Le Parisien“ (Dienstag-Ausgabe) betonte, verstehe sie zwar die durch die Ereignisse in Japan ausgelösten Emotionen. Diese dürften allerdings „nicht instrumentalisiert werden“.

Auch wenn Frankreichs Atomkurs bereits nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl vor 25 Jahren erstmals ernsthaft infrage gestellt wurde, zählt die Atomindustrie des Landes nach wie vor zu den Schlüsselbranchen. Dennoch blieb trotz zahlreicher Zwischenfälle auch in den eigenen AKWs und der anhaltenden Debatte über die umstrittene Wiederaufbereitungsanlage in La Hague Kritik an Kernkraft im offiziellen Diskurs bisher Mangelware.

http://news.orf.at/stories/2047667/2047668/

 

Frankreich: Feuer in weltgrößter Atomanlage
In einem Transformator der südfranzösischen Atomanlage Tricastin ist gestern ein Feuer ausgebrochen. Der Brand sei am Nachmittag außerhalb der atomaren Zone dieser größten Atomanlage der Welt ausgebrochen und habe keinerlei Strahlenbelastung für die Umwelt und die Bevölkerung zur Folge", erklärte die Betreiberfirma EDF. Der Transformator dient der Weiterleitung des produzierten Stroms in die Stromnetze. Es sei niemand verletzt und der Brand umgehend gelöscht worden.

Die Produktionseinheit, in der sich der Transformator befindet, sei aufgrund von Wartungsarbeiten zum Zeitpunkt des Vorfalls außer Betrieb gewesen, erklärte EDF. Anwohner des Kraftwerks berichteten der Nachrichtenagentur AFP von riesigen Rauchschwaden.

Tricastin ist die weltweit größte Atomanlage und beherbergt auf dem 600 Hektar großen Gelände Kernkraftwerke, Forschungseinrichtungen sowie Betriebe zur Urananreicherung und Abfallbeseitigung. In den vergangenen Jahren gab es dort immer wieder Zwischenfälle.

http://orf.at/#/stories/2066702/

 

Rechtsstreit um Atomausstieg
Gesetzesänderungen notwendig

Nachdem der Stromkonzern RWE Klage gegen das Atom-Moratorium und die Abschaltung des Atomkraftwerkes Biblis A eingereicht hat, droht nun ein langer Rechtsstreit. Darüber hinaus will die Regierungskoalition einige der ältesten AKW ganz vom Netz nehmen - dazu ist aber eine Gesetzesänderung notwendig.

Überraschende Wende
Im politischen Berlin ist man sich weitgehend über einen raschen Atomausstieg einig. Das war vor dem Atomunfall in Japan ganz anders. Erst im Herbst hatte die schwarz-gelbe Regierungskoalition den ursprünglich von Rot-Grün festgelegten Atomausstieg verschoben - und die Laufzeiten der 17 Atomkraftwerke in Deutschland um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert. Nach der Katastrophe in Japan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel dann mit ihrer schnellen Ankündigung überrascht, alle Atomkraftwerke in Deutschland auf ihre Sicherheit zu überprüfen.

Klage hätte Chancen
Für das dreimonatige Moratorium sind die sieben ältesten Meiler sofort stillgelegt worden. Rechtlich begründet wurde dies mit einem Artikel im Atomgesetz, der besagt, dass ein Kernkraftwerk abgeschaltet werden muss, wenn Gefahr für Leben, Gesundheit oder Sachgüter besteht. "Der erlaubt aber nicht, wegen allgemeiner Sicherheitsbedenken oder einer Wende in der Kernenergiepolitik Kraftwerke stillzulegen", sagt Christian Pestalozza Staatsrechtler von der Freien Universität Berlin. Juristen billigen der Klage des Energiekonzerns RWE gegen die Abschaltung des Kraftwerks Biblis A in Hessen durchaus gute Chancen zu. Hier könnten auf den Staat Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe zukommen. RWE entgehen an die 700.000 Euro täglich.

Von Atomkonzernen abhängig?
Zusätzlich hat das Einreichen der Klage eine aufschiebende Wirkung auf das Moratorium - auch wenn RWE derzeit keine Anstalten dazu macht, so könnte das AKW sofort wieder hochgefahren werden. Renate Künast von den Grünen: "Die Bundesrepublik kann sich nicht gefallen lassen, auf den guten Willen der Atomenergiekonzerne angewiesen zu sein." Durch einen Sofortvollzug des Bundeslandes Hessen ist man dies inzwischen auch nicht mehr.

Neues Gesetz muss her
Durchgesickert ist mittlerweile auch, dass die Bundesregierung nach dem Moratorium einige der älteren Atommeiler durch die strengeren Sicherheitsstandards stilllegen lassen will. Allerdings müsste dazu das Gesetz geändert werden, betont Rechtsexperte Christian Pestalozza. Und man will hier schnell handeln. CSU-Chef Horst Seehofer: "Dann müssen wir halt so schnell wie möglich ein Gesetz machen."

Konsens mit der Opposition?
Seitens der SPD darf mit Unterstützung gerechnet werden - mit Bedingungen. Frank Walter Steinmeier: "Als erster Schritt muss die Laufzeitverlängerung vom Tisch kommen." Das sei die Voraussetzung für einen Konsens mit der Opposition über einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie. Sollte das neue Atom-Gesetz schnell beschlossen werden, ist die SPD auch bereit, ihrerseits eine Klage zurückzuziehen, die sie gegen die schwarz-gelben Laufzeitverlängerungen eingebracht hat.

Deutschlands größter Energiekonzern Eon sieht übrigens von einer Klage gegen das Atom-Moratorium ab. Bei einem Klageerfolg von RWE könnte aber der Druck der Aktionäre dazu führen, dass sich auch Eon nochmal eine Klage überlegt, heißt es.

http://oe1.orf.at/artikel/273556

 

Regierung billigt Rettungsfonds
Milliardenverluste, der Aktienkurs eingebrochen, die langfristige Kreditwürdigkeit der Betreiberfirma TEPCO auf Ramschstatus gesenkt: Die AKW-Katastrophe von Fukushima und die Folgen haben das Unternehmen an den Rande des Ruins gebracht. Japan will TEPCO vor der Insolvenz bewahren. Am Dienstag billigte die Regierung einen Rettungsfonds. Umgerechnet 43 Mrd. Euro sollen zur Verfügung stehen. Fraglich ist, ob das Parlament dem zustimmt und ob die Summe reicht. Denn Analysten gehen davon aus, dass allein für Entschädigungszahlungen 86 Mrd. Euro aufgebracht werden müssen.

http://news.orf.at/stories/2063521/

 

Der Titel zu den damit verbundenen Meldungen ist kein Irrtum!

Denn so einfach kann das Leben sein - wenn man Atomstrom produziert ...

G.K., 3.7.2011

 

Sieben Jahre nach dem Reaktorunglück – So ist die Lage in Fukushima (Handelsblatt, 11.3.2018)

Umweltfolgen des Unfalls von Fukushima: Die radiologische Situation in Japan (Bundesamt für Strahlenschutz)