Im gestrigen Beitrag in der ZIB 2 über den Antritt des FPÖ-Kandidaten Walter Rosenkranz zur Bundespräsidentenwahl am 9.10.2022 wurde auch der Umstand erörtert, dass dieser Kandidat den Nationalrat auflösen (und damit Neuwahlen durch die Bundesregierung anberaumen lassen) würde. ORF-Kommentar dazu im Beitrag - Zitat: "Was Rosenkranz nicht dazu sagt: Für die Auflösung des Nationalrats braucht der Bundespräsident einen Vorschlag der Bundesregierung. In der zweiten Republik ist das noch nie vorgekommen. ..."
Und dazu haben wir Recherchen angestellt - nicht weil wir dem FPÖ-Kandidaten Schützenhilfe geben möchten, sondern weil UNSER Kandidat dies ebenfalls in seinem Vorhabenskatalog stehen hat. Haben wir uns da vertan?
Was haben wir dazu gefunden?
https://www.parlament.gv.at/PERK/PARL/POL/ParluBP/index.shtml
Zitat: Der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin kann den Nationalrat – auf Vorschlag der Bundesregierung – auflösen; allerdings darf er/sie dies nur einmal aus dem gleichen Anlass tun . Er/Sie ebnet damit in politischen Krisensituationen den Weg zu Neuwahlen. Der neu gewählte Nationalrat muss in einem solchen Fall spätestens am 100. Tag nach der Auflösung zusammentreten.
Hmmm, auf dem Parlamentsserver! Das klingt nach "ist wirklich so" - aber ohne Quellenangabe dazu. Suchen wir weiter!
Zitat: Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) bestimmt, dass alle obersten Organe (wie Parlament, Bundesregierung, Bundespräsident) ständig existieren. Sie sollen jederzeit funktionsfähig sein und Entscheidungen treffen können. Die einzigen Ausnahmen bilden die Auflösung des Nationalrates durch den Bundespräsidenten (Art. 29 Abs. 1 B-VG) bzw. die „automatische Auflösung“ infolge einer gescheiterten Amtsenthebung des Bundespräsidenten (Art. 60 Abs. 6 B-VG). ... Zu vorzeitigen Neuwahlen kommt es, wenn entweder der Nationalrat seine vorzeitige Auflösung selbst beschließt (Art. 29 Abs. 2 B-VG) oder der Bundespräsident im Zusammenwirken mit der Bundesregierung den Nationalrat vorzeitig auflöst (Art. 29 Abs. 1 B-VG). ... Der Bundespräsident kann den Nationalrat nur auf Vorschlag der Bundesregierung auflösen. Diesen Vorschlag kann auch eine neu bestellte Bundesregierung (Art. 70 B-VG) erstatten oder eine einstweilige Bundesregierung, die mit der Fortführung der Verwaltung bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung betraut ist (Art. 71 B-VG). Die Auflösung des Nationalrates erfolgt dann durch eine Entschließung des Bundespräsidenten, die vom Bundeskanzler gegenzuzeichnen ist (Art. 67 Abs. 2 B-VG). Sie wird wirksam, sobald sie dem Präsidenten des Nationalrates zugegangen ist. Damit ist der Nationalrat aufgelöst und die Gesetzgebungsperiode sofort beendet. Es gibt also bis zur Konstituierung nach der durchgeführten Neuwahl keinen Nationalrat. Nur die Präsidenten und Präsidentinnen des Nationalrates und bestimmte ständige Unterausschüsse bleiben im Amt (§ 6 Abs. 1 GOG-NR, Art. 50d Abs. 3 B-VG, Art. 51d Abs.1 B-VG, Art. 55 Abs. 3 B-VG). Die Neuwahl ist zeitlich so anzuordnen, dass der neugewählte Nationalrat längstens am 100. Tag nach der Auflösung zusammentreten kann.
Auch auf dem Parlamentsserver, aber hier kommt schon eine Umgehung durch den Vorschlag einer neu bestellten oder einstweiligen Bundesregierung mit ins Spiel. Spannend!
Aber der Knackpunkt ist eben dieser erforderliche Vorschlag der Bundesregierung? Wo kommt das her?
Und fündig wird man spannenderweise NICHT auf dem Parlamentsserver, sondern bei der Tageszeitung "Die Presse" aus dem Jahr 2016 - Zitat: Zwar ist in Artikel 29 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) tatsächlich zu lesen: „Der Bundespräsident kann den Nationalrat auflösen“, was auf den ersten Blick so klingt, als könnte die Hofburg tatsächlich im Alleingang für Neuwahlen sorgen. Allerdings steht an anderer Stelle, nämlich in Artikel 67 B-VG, dass alle Akte des Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung erfolgen, sofern nichts Gegenteiliges in der Verfassung vorgesehen ist. Ergo kann der Bundespräsident nur auf Vorschlag der Regierung den Nationalrat auflösen. Die Auflösung darf zudem nur einmal aus demselben Grund erfolgen. Ob als Grund dafür die von Van der Bellen zuletzt auch genannte Europafeindlichkeit der Freiheitlichen ausreiche, da ist sich Verfassungsjurist Heinz Mayer nicht sicher: „Es muss eine Begründung sein, die die Wähler überzeugt“, sagt er zur „Presse“.
Auf dieser Bestimmung des Artikel 67 der Bundesverfassung fußen also die diversen Darstellungen wie oben zu lesen, aber auch hier:
https://www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/demokratie/1/Kontrollrechte.html
Zitat: Auf Vorschlag der Bundesregierung kann die Bundespräsidentin/ der Bundespräsident den Nationalrat auflösen. ....
https://www.derstandard.at/story/2000032230118/was-der-bundespraesident-darf-und-was-nicht
Zitat: Die Auflösung des Nationalrats (Artikel 29 Bundes-Verfassungsgesetz) kann aber nur auf Vorschlag des Bundeskanzlers erfolgen ...
Zitat: Was die sonstigen Aufgaben des Bundespräsidenten betrifft, ist er nicht allzu frei in seinen Entscheidungen. In der Verfassung steht nämlich folgende Sperrklausel: "Alle Akte des Bundespräsidenten erfolgen (. . .) auf Vorschlag der Bundesregierung." Der Wunsch vieler Bürger nach einem "aktiveren" Staatsoberhaupt stößt also an verfassungsrechtliche Grenzen. Der Präsident darf nur, wozu die Bundesregierung ihn ermächtigt. Nur bei der Ernennung der Regierung hat er freie Hand.
Scheint also ganz so zu sein - oder?
Spannend ist aber, was - im Gegensatz dazu - auf der Seite des Bundespräsidenten steht! Zitat: Der Bundespräsident ist der einzige Repräsentant des Staates auf Bundesebene, der von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt wird. Das verschafft ihm eine starke Stellung im Verfassungsgefüge, denn er hat eine Mehrheit des Wahlvolkes hinter sich. Seine Macht ist aber zugleich in den meisten Rechtsakten gemäß Artikel 67 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes eingeschränkt: Der Bundespräsident ist demzufolge auf einen Vorschlag der Bundesregierung oder der zuständigen Ministerin bzw. des zuständigen Ministers angewiesen. Diesem Vorschlag kann er folgen oder nicht – in jedem Fall muss er für sein Handeln nachvollziehbare Gründe haben.
Also was jetzt?
Dazu ein Vorschlag: Machen wir doch selbst einmal einen direkten Blick in die beiden hier zur Diskussion stehenden Verfassungsbestimmungen! Anmerkung: Den wir selber natürlich schon längst bei der Erarbeitung des neuen Verfassungsvorschlags, also VOR dem Vorhabenskatalog für die Präsidentschaftswahl gemacht haben.
Der Artikel 67, Abs. 1, um den es einerseits geht, lautet - Zitat: Alle Akte des Bundespräsidenten erfolgen, soweit nicht verfassungsmäßig anderes bestimmt ist, auf Vorschlag der Bundesregierung oder des von ihr ermächtigten Bundesministers. Inwieweit die Bundesregierung oder der zuständige Bundesminister hiebei selbst an Vorschläge anderer Stellen gebunden ist, bestimmt das Gesetz.
Moment!
.... soweit nicht verfassungsmäßig anderes bestimmt ist, ....
Fragt sich: IST zur Auflösung des Nationalrates verfassungsmäßig etwas anderes bestimmt ???
Lesen wir dazu den diesbezüglich ausschlaggebenden Artikel 29, Absatz 1! Zitat: Der Bundespräsident kann den Nationalrat auflösen, er darf dies jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlass verfügen. Die Neuwahl ist in diesem Fall von der Bundesregierung so anzuordnen, dass der neugewählte Nationalrat längstens am hundertsten Tag nach der Auflösung zusammentreten kann.
Nein, nein meine Damen und Herren, das IST eine ganz klare über den Artikel 67 hinausgehende ALLEINIGE verfassungsmäßige Kompetenz des Bundespräsidenten. Die Bundesregierung hat nach seiner Entscheidung lediglich die fristgerechte Neuwahl anzuordnen.
Auch wenn das den gerade amtierenden Mehrheits- und daher Regierungsparteien natürlich nicht schmeckt: Hierzu braucht der Bundespräsident KEINEN Vorschlag der Bundesregierung - denn andernfalls wäre ja zum Beispiel auch diese statt des Bundespräsidenten an die Weisung zu binden, dem selben Bundespräsidenten keine zwei gleich begründeten Vorschläge zur Auflösung des Nationalrats vorzulegen.
Wobei sich auch hier die Frage der Sinnhaftigkeit stellt: Den neu gewählten Nationalrat darf der Bundespräsident nicht aus demselben Grund wie den vorher gewählten Nationalrat auflösen? Auch nicht wenn dieser in dieselben Unzulänglichkeiten verfällt? Aber ein neuer Bundespräsident darf es gleich unmittelbar nach seiner Bestellung aus dem selben Grund wie bei der unmittelbar zuvor stattgefundenen Auflösung des Nationalrats durch den vorangegangenen Präsidenten?
Woraus man allein schon ableiten kann, wie es um die "Schönheit und Eleganz" unserer bereits ziemlich betagten und "zer-änderten" Bundesverfassung WIRKLICH bestellt ist ...
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