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VfGH beschäftigte sich mit ORF-Gremien (26.9.2023)

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Wahrscheinlich weil der Burgenländische Landeshauptmann Doskozil selber mit einer gewünschten Postenbesetzung nicht durchgekommen ist, wurde von dieser Seite eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Es geht darum, dass der politische Einfluss auf den ORF zu groß ist, der laut Gesetz ja unabhängig sein sollte. Sieht man sich allein schon die Gremienzusammensetzung an - und wer darüber bestimmt, dann ist dieser Einfluss schon auf den ersten Blick ersichtlich. Und auch gar nicht neu. Aber: Was wird wohl ein Verfassungsgerichtshof dazu sagen, wenn die Richter dort ja ebenso politisch besetzt werden? Sogar auf der Homepage des Parlaments kann man lesen, dass die geschriebene Verfassung in Österreich die eine Sache ist, die tatsächlich gelebte "Realverfassung", bei der die Großparteien das Sagen haben aber eine ganz andere.(Zusammenfassung in einfacher Sprache) 

 

https://orf.at/stories/3332471/

Zitat: Öffentliche Verhandlungen des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) erwecken stets ein großes Publikumsinteresse. Am Dienstag war der Andrang in den Verhandlungssaal besonders groß, ging es doch um den ORF-Stiftungs- und -Publikumsrat. Die Höchstrichter und -richterinnen gingen der Frage nach, ob die Regierung zu viel Einfluss auf die Gremien nimmt. Besonders groß war das Interesse an den „Freundeskreisen“. Schon lange steht die Zusammensetzung des Stiftungsrats und des Publikumsrats in der Kritik. Wegen der publik gewordenen Sideletter zwischen ÖVP und FPÖ sowie zwischen ÖVP und Grünen hatte die Diskussion so richtig Fahrt aufgenommen. Die verschriftlichten Deals über die parteipolitischen Postenbesetzungen waren auch der Grund, warum sich der VfGH mit den Gremien beschäftigen muss. Denn die Landesregierung im Burgenland nahm die Sideletter zum Anlass, um die Höchstrichter und Höchstrichterinnen anzurufen. 

 

Nun, lassen wir einmal den anscheinenden Anlass für diese Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof einmal ganz außer Betracht! Zitat: Doskozil entsandte im Vorjahr den Musiker Christian Kolonovits in den ORF-Stiftungsrat und wollte damit ein „Signal für einen starken, unabhängigen ORF ohne jedes parteipolitische Hineinregieren“ setzen, wie er damals verkündete. Doskozil hatte zudem als Landeshauptmann ein Anhörungsrecht bei der Bestellung des Burgenländischen ORF-Landesdirektors. 2021 kam es zu einer Verlängerung des Vertrags von Werner Herics. Doskozil dürfte damit aber nicht sonderlich glücklich gewesen sein, soll er sich doch für Chefredakteur Walter Schneeberger ausgesprochen haben

Nehmen wir einmal nur die Grafik des ORF im eingangs verlinkten Bericht her und analysieren wir das genauer:

 

Quelle: Der zitierte ORF-Bericht

 

Was haben wir hier? Und fangen wir beim ORF-Publikumsrat an: 17 Mitglieder dort bestimmt "der Bundeskanzler" (auf Vorschlag "gesellschaftlicher Vertretungen"). Mhm! Also kann man hier wohl davon ausgehen, dass hier "der Bundeskanzler" bei 17 von 30 Sitzen schon einmal das Sagen über den Publikumsrat in der Hand hat - und somit wohl auch über die Entsendung der 6 Publikumsrats-Vertreter in den Stiftungsrat. In den entsenden weitere 9 Vertreter die Bundesregierung und 6 die Parlamentsparteien. Jene Parlamentsparteien (mehrheitlich!), die natürlich per Koalitionsabkommen der Bundesregierung gerade eine Parlamentsmehrheit verschaffen. Das macht 21 von 35 Sitzen im Stiftungsrat. Übrige begünstigende Konstellationen da wie dort völlig außer Acht gelassen!

 

Und über den Umstand, ob die Zusammensetzung des Stiftungsrats und Publikumsrats gegen die verfassungsmäßige Unabhängigkeit des ORF verstößt beraten nun die Höchstrichter des Verfassungsgerichtshofs.

Für die gilt übrigens - Zitat: Für die Position des Präsidenten und der Vizepräsidentin hat die Bundesregierung das Vorschlagsrecht. Sie nominiert außerdem sechs Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter sowie drei Ersatzmitglieder. Die weiteren sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder schlagen zum Teil der Nationalrat und zum Teil der Bundesrat vor. Obwohl, wie bei allen Verfassungsgerichten der Welt, ihre Bestellung auch eine politische Entscheidung ist, agieren die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter nach ihrem Amtsantritt völlig unabhängig und nicht entlang parteipolitischer Zuordnungen.

Mhm, natürlich agieren die nun seit ihrem Amtsantritt völlig unabhängig und nicht entlang parteipolitischer Zuordnungen!

Selbstverständlich! Wie könnte es denn anders sein?

Ein weiteres Zitat: Alle Mitglieder und Ersatzmitglieder des Verfassungsgerichtshofes müssen durch das Studium der Rechtswissenschaften sowie durch eine langjährige einschlägige berufliche Praxis für das Amt qualifiziert sein. Sie kommen aus verschiedenen Berufen (Richter, Universitätsprofessoren, Beamte des Bundes und der Länder, Rechtsanwälte), aus verschiedenen Bundesländern und aus unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Umfeldern. Richter, Anwälte und Universitätsprofessoren können ihren Beruf weiter ausüben und bringen auf diese Weise ihre besonderen Erfahrungen in die Beratungen ein. Verwaltungsbeamte müssen wegen der Unvereinbarkeit ihrer Weisungsbindung mit der Ausübung des Richteramtes jedoch außer Dienst gestellt werden.

Mhm - und jetzt suchen Sie einmal unter den Mitgliedern "gelernte Richter" bzw. "gelernte Verfassungsrechtler" - nämlich bevor sie an den Verfassungsgerichtshof gekommen sind.

Wieviele davon finden Sie jeweils?

 

 

Dieses Video ist vom - man glaubt es kaum - 16.1.2012!

Und anzunehmen ist - leider, dass sich die Umstände auch durch die zu erwartende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs kaum zum Besseren ändern werden.

Zitat, bemerkenswerter Weise von der (siehe Impressum) Parlamentsdirektion der Republik Österreich: Wenn von der Verfassung eines Staates gesprochen wird, kann aber auch eine Beschreibung davon gemeint sein, wie Abläufe in einem Staat tatsächlich funktionieren: Wer verfügt über Einfluss, wer bestimmt Themen, wer kann Projekte verhindern, oder wie kommen Entscheidungen zustande. In Österreich ist es z. B. so, dass die Bundesverfassung in sehr vielen Staatsangelegenheiten eine zentrale Stellung für das Parlament vorsieht. Tatsächlich dominieren aber die Regierung und die Regierungsparteien weite Teile der Politik. So wird etwa in den Medien regelmäßig berichtet, dass "sich die Regierung auf ein Gesetz geeinigt hat". Selbstverständlich wird der Gesetzentwurf dann noch dem Nationalrat und dem Bundesrat zur Beschlussfassung vorgelegt. Aber selbst wenn dort nach intensiven Diskussionen noch Änderungen vorgenommen werden, bleibt in der Öffentlichkeit oft der Eindruck, dass letztendlich nicht das Parlament, sondern die Regierung Gesetze beschließt. Neben der formalen Verfassung gibt es die "gelebte" Verfassung – die sogenannte Realverfassung. Die Realverfassung beschreibt die verschiedenen informellen (im Gegensatz zu den formellen) Abläufe, die im politischen Geschehen wirksam werden. So wird der Einfluss der Bundesregierung, der Landeshauptleute oder der politischen Parteien klar. Sie können sich aber nie über die rechtliche Verfassung hinwegsetzen. ... Eine Verfassung stellt mit ihren Regeln Erwartungen an alle, die im Staat Funktionen haben und Verantwortung tragen. Die Erfüllung dieser Erwartungen ist keine Selbstverständlichkeit – zum Beispiel, dass das Parlament ausführlich über Gesetze diskutiert oder Richter:innen unabhängig sind. Daher müssen diese Erwartungen besonders geschützt werden. Und daher muss alles, was vom Parlament beschlossen wird und was die Regierung tut, auch an der Verfassung gemessen werden. Es muss überprüft werden, ob das, was in der Politik und im Staat geschieht, den Regeln entspricht, die die Bürger:innen dafür aufgestellt haben. Die Verfassung muss daher von allen Bürger:innen eines Staates, vor allem aber von den politischen Parteien und ihren Vertreter:innen im Parlament akzeptiert werden. Sie soll Grundlage ihres politischen Handelns sein. Die Verfassung soll Stabilität sichern. Das heißt auch, dass Verfassungen nicht einfach geändert werden können. ...

Na klar! Wenn dieses System sich einmal alle Vorteile und das Sagen über sich selbst gesichert hat, dann soll keiner von außen dort mehr hingreifen können. Was wir ja in der politischen Realität tagtäglich erleben!

Aber so nicht bleiben kann, wenn wir uns die heutige politische Situation ansehen.

Jedoch: Wir müssen diese Verhältnisse auf RECHTSSTAATLICHEM und GEWALTFREIEM Weg ÄNDERN. Und MÖGLICHST GEMEINSAM!

Was ein verdammt hartes Stück Arbeit und nicht bis übermorgen erledigt sein wird.

Aber angehen müssen wir es HEUTE!